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18.03.2006 / Interview / Seite 8

»Was sollen repressionsfreie Zumutbarkeitsregeln sein?«

Linksfraktion hat eigenen Antrag gegen Hartz IV entschärft. Protest aus sozialer Bewegung. Ein Gespräch mit Edgar Schu

* Edgar Schu ist einer der Sprecher des bundesweiten Aktionsbündnisses Sozialproteste. Dies besteht aus über 100 örtlichen Initiativen, die im Zuge der Montagsdemonstrationen entstanden


F: Die Linksfraktion im Bundestag hat einen »Rahmenantrag Überwindung von Hartz IV« erarbeitet. Kann sich das Aktionsbündnis Sozialproteste in diesem Text wiederfinden?

Prinzipiell ja. Man sollte sich aber daran erinnern, daß der Erfolg der Linkspartei.PDS bei der Bundestagswahl 2005 vor allem auf die Sozialproteste zurückgeht und viel damit zu tun hat, daß die Linke mit der Forderung nach Abschaffung von Hartz IV in den Wahlkampf gegangen ist. Im Wahlprogramm hat sich die Linkspartei zum Beispiel eindeutig gegen den Zwang zur Arbeit ausgesprochen.

F: Und was ist nun im Rahmenantrag aus dieser Position geworden?

Dort werden jetzt »repressionsfreie Zumutbarkeitsregelungen« gefordert. Jeder, der einmal auf dem Sozialamt oder in einer sogenannten Arbeitsgemeinschaft ALG II beantragt hat, weiß, was Zumutbarkeit bedeutet, und wird sich fragen, was »repressionsfreie Zumutbarkeitsregeln« sein sollen. Das ist die Quadratur des Kreises. Zumutbarkeitskriterien können vielleicht als Schutzinstrument erscheinen. Aber in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit wird noch deutlicher, daß sie nur dem Zweck der Repression dienen können.

F: Auch an anderen Stellen ist die Linksfraktion zurückgerudert.

Am 24. Februar fand im Bundestag eine von der Fraktion organisierte Anhörung mit enormer Beteiligung von 500 Leuten statt. Danach gab es die Erwartung, daß die Fraktion die Ergebnisse der Diskussionen in ihren Antrag einarbeitet, unter anderem die Ablehnung des Arbeitszwanges und die Erhöhung des ALG II als Sofortmaßnahme auf 500 statt – wie es im ersten Entwurf hieß – 420 Euro. Im Antrag ist davon jedoch nichts zu finden..

F: Was halten Sie davon?

Ich denke, daß die Linksfraktion zwar gewählt, aber noch nicht gefestigt ist. Es gab einen großen Schwung durch die Bundestagswahl, der eine Linksfraktion in beachtlicher Stärke zur Folge hatte. Nun gelingt es einer geschickt inszenierten neoliberalen Gegenbewegung von Regierungsseite, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Auch der politische Druck auf die Linksfraktion ist zurückgegangen. Wir halten jedoch gerade die Hartz-Gesetze und deren Arbeitszwang für fatal. An der Arbeitslosigkeit sind die Unternehmer schuld, nicht die Kolleginnen und Kollegen. Deren Angst vor Hartz IV macht sie erpreßbar für Lohndumping und Arbeitszeitverlängerung, die aber nur den Verlust von noch mehr Arbeitsplätzen zur Folge haben. Das sollten sich alle Abgeordneten der Linken zu Herzen nehmen.

F: Wie man hört, war es auch Klaus Ernst, der Mitglied der Linksfraktion und zugleich Sekretär der IG Metall ist, der für die Rücknahme der weitergehenden Forderungen aus dem Antrag gesorgt hat.

Im Wahlprogramm findet sich die Forderung nach Abschaffung des Arbeitszwanges. Vermutlich ist einigen neuen Abgeordneten eine Anschlußfähigkeit an bestimmte gewerkschaftliche Positionen wichtiger, als eine kooperative Zusammenarbeit mit den sozialen Protestbewegungen und eine Ausrichtung an den existenziellen Interessen der Menschen. Streikbereite Metaller können aber genausowenig auf öffentliche Unterstützung verzichten, wie eine streikende Dienstleistungsgewerkschaft. Das sollte ein IG-Metall-Sekretär nach dem verlorenen Streik 2003 in den neuen Bundesländern nicht vergessen haben.

F: Wie geht es jetzt weiter?

Wir wollen weiter Druck machen. Nachdem wir die Informationen bekommen hatten, haben wir unser Netzwerk durch eine Rundmail informiert. Das Ergebnis war, daß die Fraktion zahlreiche Protestemails erhalten hat. Aus unserem Netzwerk habe ich die Rückmeldung, daß unsere Informationen so verstanden wurden, daß sich die Linke zu weit zurücknimmt und vielleicht sogar schon auf die Regierungsfähigkeit schielt.

Interview: Wolfgang Pomrehn

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