Einem Fahrgast wurde "Versuchter Betrug und Erschleichung von Leistungen" vorgeworfen. Das sind genau die Vorwürfe, die Bundesminister Clement in seinem "Report vom Arbeitsmarkt 2005" wahrscheinlich strafwürdiger weise gegen mindestens ein Zehntel aller ALG II-Empfänger/innen erhoben hat. Muss man in Zukunft von Sozialdetektiven das in diesem Artikel beschriebene Verhalten der Bundespolizei-Beamten entsprechend im Falle eines Betrugs-Verdachtes bei Hartz IV befürchten? Brutalisieren sich die Verhältnisse?
Original-Quelle dieses Artikels:
http://de.indymedia.org/2005/10/131058.shtml
Artikel über den Vorfall in der TAZ:
http://www.taz.de/pt/2005/11/02/a0239.nf/text
von Michal Stachura - 30.10.2005 16:01
Der Rassismus in Deutschland ist längst zum Alltag geworden. Besonders
ernüchternd wird er immer dann, wenn man selbst Zeuge eines völlig
ungerechtfertigten Gewalt-Angriffs der Polizei in Kooperation mit der
Deutschen Bahn wird. In diesem Fall wuchs die Brutalität des BGS
proportional zur dessen Rechtslosigkeit. ZEUGINNEN des Vorfalls werden
dringend gesucht !
Es war ein sonniger Oktober-Samstag. Jean-Paul besuchte einen Freund in
Frankfurt (Oder), dann nahm er die Bahn und fuhr nach Berlin zurück. Als der
Schaffner kam zeigte er sein Wochenendticket. Dann kam der BGS. Insgesamt 9
BGS- BeamtInnen. Hauptmeister Grabs sagt dazu vor Ort: "Versuchter Betrug
und
Erschleichung von Leistungen". Jean-Paul vergaß seinen Namen in das
Wochenendticket einzutragen, "er hätte das Wochenendticket ja auch
weitergeben oder verkaufen können". Doch zur Aufklärung des Sachverhalts
war
der BGS nicht vom Zugführer gerufen. Ohne zu fragen gingen die
PolizistInnen
auf den jungen Mann los und traktierten diesen mehrmals mit Tränengas. Fast
eine halbe Stunde verdrehten die BeamtInnen seine Hände, drückten ihn
zwischen die Sitze. Die Fahrgäste des Regionalexpresses lasen ruhig ihre
Zeitung weiter, ab und zu schauten sie sich den Überfall an. Der Zug fuhr
nun plötzlich wieder los, doch dann stoppte er wieder nach weinigen Metern.
Der BGS fesselte den Studenten mit Handschellen auf dem Rücken. Er schrie vor Schmerzen und weinte, konnte nicht mehr atmen. Ein Beamter sprühte dann das Tränengas noch mal von unten direkt ins Gesicht. "Der soll gefälligst seinen Ausweis zeigen" brummte ein Fahrgast. Ein polnischer Student der Europa-Universität Viadrina aus Frankfurt (Oder) protestierte. Doch dann riefen einige: "Jetzt wird man sogar im eigenen Land Mundtod gemacht". Ein anderer Passagier meinte schlicht: "ein Illegaler". Aber Jean-Paul ist kein Illegaler, den illegal kann kein Mensch sein. Er ist 29 und studiert Lebensmitteltechnik an der Technischen Universität in Berlin. Er besitzt auch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, falls dieses Fetzten Papier eine bessere Behandlung überhaupt legitimisieren hätte können.
Jean-Paul hat ein anderes Problem. Er ist Schwarz.
Dann wird der junge Mann aus der Bahn heraus getragen und auf den Bahnsteig
des Ostbahnhofes geworfen. Er weint, aus seiner Nase quellt Schleim heraus,
er ist wegen dem Pfefferspray-Einsatz in Atemnot. Auf den Bahngleisen
stehen, mehrere DB-Angestellte. Eine Frau schreit aus dieser Gruppe heraus:
"in Frankreich hätte man mit dem gar nicht so lange gezappelt". Nur ein
junger Medizinstudent, der ebenfalls auf dem Bahnsteig stand, findet Mut um
gegen diese Behandlung zu protestieren: "Warum sitzt der Mann auf dem
Boden,
was hat er denn gemacht, ich habe noch nie einen Menschen gesehen der wegen
einem Wochenendticket so brutal misshandelt wird !".
Polizeimeister Lenk antwortet ihm; "Wir handeln nach Recht. Die Beamten
hatten keine Lust sich da anzulegen. Jeder Reisende der sich widersetzt
muss
mit Gewaltanwendung rechnen. So primitiv sind wir nicht!"
Jean-Pauls Pullover ist Blutverschmiert. Aus seinem Ohr kommt Blut. Das
Geicht ist voller Tränen. Während der Medizinstudent noch diskutiert,
bringt
endlich jemand ein Rollstuhl. Wir fahren auf die Wache, dort werden seine
Personalien noch einmal kontrolliert und Jean-Paul kann gleich gehen.
Wir stehen in der Empfangshalle des Ostbahnhofes. "Ich komme aus Kamerun, habe doch nur meinen Freund besucht in Frankfurt (Oder). Warum haben sie mich so gedemütigt?"
Jean-Paul zittert am ganzen Leib, aus seinem Ohr kommt immer noch Blut. Ich empfehle ihm sich an die Antirassistische Initiative zu wenden und eine Dienstaufsichtsklage und Anzeige wegen Körperverletzung gegen die prügelnden Beamten einzuleiten. Ich schäme mich. Dann lasse ich ihn alleine in der Empfangshalle stehen.
ZEUGINNEN DES VORFALLS GESUCHT !!! Bitte melden unter folgender Mail: kamil(at)peaceresearch.com
Wer hat den Vorfall am Samstag den 29.10.2005 gegen 12:00 Uhr aufGleis 6 des Ostbahnhofes im Zusammenhang mit dem eingefahrenen Regionalexpress der Relation Frankfurt (Oder) - Magdeburg (RE 38020) beobachtet und will sich Jean-Paul als Zeuge zur Verfügung stellen.